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Schneeflocken und die allererste Diskussion über Bildretusche

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Kürzlich erschien bei kwerfeldein.de ein interessanter Artikel von Anzhelika Zandt zum Thema Retusche. Das erinnerte mich an eine kleine Geschichte über eine der frühen Streitereien über das Thema.

Der Schneeflockenmann. Wilson Alwyn Bentley wurde als Sohn eines Farmers geboren und als Farmer verdiente er seinen Lebensunterhalt.
Seine wirkliche Leidenschaft aber waren Schneeflocken. So begann er sie zu zeichnen. Doch jedes mal war die Schneeflocke schon lange geschmolzen bevor er sie in ihren Details zeichnen konnte. Das brachte ihn auf die Idee sie zu fotografieren. Er überredete seine Eltern ihm eine Kamera zu kaufen, verband diese mit seinem Mikroskop und am 1. Januar 1885 fotografierte er seine erste Schneeflocke. Er entwickelte die Methode weiter und wurde so zu einem Meister dieses Fachs (s. sein Buch Snowflakes in Photographs).

Ein anderer Schneeflockenfreund. Gustav Johannes Georg Hellmann, Direktor des preußischen meteorologischen Instituts, schrieb ein Buch über Meteorologie und bat Richard Neuhaus zur Illustration Schneeflocken für ihn zu fotografieren. Das tat dieser wie geheißen, konnte aber die Ergebnisse von Bentley nicht richtig reproduzieren. Die perfekte Symmetrie, der Detailreichtum von Bentleys Fotos – nichts davon schien Neuhaus festhalten zu können.

Der Streit. Es war zwar bekannt das Bentley den negativen Raum außerhalb der Schneekristalle mit dem Retuschiermesser “maskierte”, bei genauerer Betrachtung aber wurde klar das Bentley’s Retusche bis weit in die Struktur der Schneekristalle hineinreichte. Soweit, dass Teile des Bildes künstlich neu erschaffen wurden.
Bentley verteidigte sich: das Bild einer Schneeflocke nicht zu retuschieren sei eine Form der Perversion. Warum solle jemand durch Flecken in der Optik entstandene Bildfehler oder zerbrochene Schneekristalle nicht retuschieren?

A true scientist wishes above all to have his photograph as true to nature as possible. (W. A. Bentley)

Bentley war überzeugt die Retusche sei gerechtfertigt um den Originalzustand wie in der Natur gesehen zu rekonstruieren. Hellmann und Neuhaus waren ebenso überzeugt das dies unwissenschaftlich sei. Die Kommentare im Kwerfeldein-Artikel betrachtend glaube ich, dass sich an der Diskussion in den letzten 80 Jahren nicht viel geändert hat.
Die Geschichte über die beiden Schneeflockenfreunde habe ich im Radiolab Podcast eingesammelt, dort in Season 11, Folge 3.


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